Montag, 21. Juni 2010

Tag 252 - 11. Mai - Puerto Ayacucho - Amazonas

Puerto Ayacucho - Amazonas

In der Früh fuhren wir im viel zu kalten Autobus zu einem Indianer-Dorf. Carlos meinte noch, dass sie schon relativ modernisiert leben würden, aber ich hoffte trotzdem auf ein bisschen ureinwohnermäßiges. Als wir ankamen, begriff ich zuerst gar nicht, dass wir schon in diesem Dorf angekommen waren, weil es mir trotz der Vorwarnung zu modern schien. Carlos fragte sich zu einem der Ureinwohner durch, der auch Spanisch kann, weil viele der Ureinwohner ihre eigenen indigenen Sprachen haben. Nach nicht allzu langer Zeit war dieser auch schon gefunden und es ging los. Wir marschierten durch echten Regenwald und es fühlte sich an als wären wir in einer anderen Welt. Es war so anders: eine noch höhere Luftfeuchtigkeit, als gewohnt, hohe Bäume, die über und über mit anderen Pflanzen bewachsen waren, Schmetterlinge jeder Art und (fast) jeder Größe und das für mach am allerschönsten: Ruhe, keine nervigen Autogeräusche, keine Flieger über uns, einfach Ruhe. Der Pfad war nur ein Trampelpfad, den die Ureinwohner oft benutzten um zum Fluss zu gelangen oder aber um zum Ananasfeld zu kommen. Als wir gerademal zehn Minuten gegangen waren, hielt der Ureinwohner an, brach einen Zweig ab und stocherte in einem kleinen Loch im Boden herum.


Während er herumstocherte, erklärte er uns er würde jetzt eine Vogelspinne suchen. Leider klappte es beim ersten Mal noch nicht, aber nur 10m weiter, entdeckte er ein weiteres und fing wieder an zu stochern. Schon nach kurzer Zeit kletterte eine handflächengroße Vogelspinne heraus.


Der Mann aus dem Dorf packte sie geschickt und hatte auf einmal alle ihre Beine über ihrem Körper zwischen seinen Fingern eingeklemmt. Daraufhin bewegte sie sich sehr langsam und wurde auf den Boden gesetzt. Sobald sie am Boden war, ging sie in Angriffsstellung und hob zwei ihrer Vorderbeine drohend in die Luft. Wir standen alle im Kreis um sie und so konnte sie auch nicht fliehen oder in ihr Loch zurückkehren. Nachdem jeder unzählige Fotos gemacht hatte, lockerten wir die „Festung“ um sie und gingen weiter. Als wir bei einer kleinen Lichtung ankamen, nahm der Mann sein Buschmesser und hackte von einem Baum ein paar Äste ab und reichte sie uns weiter. Wir hatten überhaupt keine Ahnung was wir damit anstellen sollten, aber Carlos half uns weiter. Aus den Ästen kam am abgehackten Ende Wasser heraus, das wir trinken konnten. Das Wasser war klar, kühl und es schmeckte besser als jedes andere Wasser, das ich bisher in Venezuela getrunken hatte. Es schien so als wäre der Ast voll mit Wasser, denn nur mit drei davon konnte jeder von uns mehrere Schlucke trinken.
Danach ging es gleich weiter und wir kamen aus dem Dschungel heraus auf eine offene Wiese. Dort sah es so aus wie im Film „Das Dschungelbuch“. Hier fehlten nur mehr ein paar wilde Tiere und der kleine Mogli. Auf einer Seite fing wieder der Urwald an und auf der anderen waren einige Pflanzen, die aber nicht höher als einen halben Meter waren. Beim genaueren hinsehen stellten wir fest, dass es Ananaspflanzen waren.


Wir wollten welche mitnehmen, hatten aber kein Messer zum Abschneiden dabei, denn der Mann aus dem Dorf war schon viel weiter vorne. Wir gingen dann wieder ein Stück in den Urwald hinein und dieses Mal fielen mir unzählige Ameisenstraßen auf. Die Tierchen, kaum größer als einen Zentimeter, trugen je ein bis zu 4cm² großes Blatt auf ihrem Rücken. Alle zehn Meter kreuzte so eine Ameisenstraße den Trampelpfad. Wir kamen dann auch schon wieder beim Dorf an und wollten in den gekühlten Bus. Aber Carlos rief uns zurück, weil wir noch den Schamanen des Dorfes besuchen wollten. Zum Glück war er zuhause und empfing uns vor seiner Hütte. Er hatte nur eine Mischung aus einem Lendenschurz und einer Windel an, am Kopf trug er eine Federkrone (aber nicht so eine wie in den Indianerfilmen gezeigt wird). Er bat uns sogar in seine kleine Hütte, die aus Lehm und einem Stroh/Palmendach bestand. Drinnen war es fast dunkel und wir setzten und im Kreis rund um den Schamanen. Keiner von uns traute sich Fotos zu machen, weil Carlos gemeint hatte, dass sie es oft nicht mögen. Er fing an uns ein bisschen was über sein Leben zu erzählen, während er ein paar Kräuter und Wurzeln zermahlte. Als er fertig war und in der Schüssel vor ihm nur mehr feinstes Pulver war, nahm er ein Stück hohles Holz in Form eines Y. Er steckte sich zwei Enden davon in die Nase und die andere hielt er in die Schüssel mit dem Pulver und zog kräftig an. Er fragte uns, ob wir nicht auch probieren wollten. Wir stimmten zu, denn wer hat schon einmal mit einem echten Schamanen Pulver geschnupft. Er meinte, das Pulver sei eine Mischung aus verschiedensten Pflanzen wie auch Wurzeln und würde uns Kraft verleihen.
Nach der Reihe schnupften wir das Pulver und manche bekam davon zwar keine Kraft, aber einen kräftigen Niesanfall. Ich zog nicht zu fest an, deswegen blieb mir alles in der Nase kleben.


Am Schluss sang der Schamane noch ein Lied, das typisch für die Region war. Dazu begleitete er sich mit einer Maracas (mit einer Rassel). Carlos fragte ob wir vielleicht jeder ein Foto machen dürften und er meinte, es wäre überhaupt kein Problem. Daraufhin folgte ein Blitzlichtgewitter in der kleinen Hütte. Wir mussten aber wieder aufbrechen und so verabschiedeten wir uns und fuhren mit dem Bus weiter.
Unser nächster Halt war bei einer Naturrutsche im Dschungel. Wir mussten zunächst eine kleinen Hügel hinaufgehen, denn erst dahinter war diese Rutsche zu finden. Die ersten rannten gleich ganz hinauf zum höchstmöglichen Punkt, der knapp 200m langen Rutsche. Madeleine und ich warteten noch ein wenig und sahen es uns zuerst genauer an, denn als die ersten mit rasender Geschwindigkeit an uns vorbeirauschten, hörten wir auch immer wieder AU!!-Schreie. Es gab nämlich bis zu 20cm tiefe Löcher und Unebenheiten, die nicht angenehm waren. Deswegen rutschten wir nur den letzten Teil, der sicherer erschien. Viele hatten blaue Flecken, verstauchte Finger und bluteten sogar.


Am Ende des Tages fuhren wir noch in die Stadt um in ein Museum über die Ureinwohner von Venezuela anzusehen. Dort wurde auf die verschiedensten Arten bzw. Stämme genauer eingegangen, es wurden Modelle von Häusern, Waffen, Schüsseln, Kleidung und vielen anderen Gegenständen gezeigt. Es war leider schon etwas heruntergekommen, aber trotzdem war es interessant und informativ. Anschließend durften wir noch ein wenig am Kunstmarkt der Indianer herumschauen, um Andenken und Geschenke zu kaufen. Es gab verschiedensten Schmuck aus Holz, Stein, Tierknochen, Pflanzensamen und vielem mehr. Der Markt war nicht allzu groß, aber trotzdem verging die Zeit viel zu schnell, weil es viel zu sehen gab. Im Anschluss fuhren wir zurück zur Herberge, wo wir gleich zu Abend aßen und dann noch ein wenig Karten spielten.

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